Nice Work - Kollegiale Rollenwahl

Wenn alle mitreden, geht nix weiter?! – Oder doch?

Wer kennt es nicht: Wenn’s um die Verteilung von knappen Ressourcen geht, bricht vielerorts ein Kampf aus. Wer jetzt denkt, dass es bei niceshops anders ist, der hat Recht! 😛
ABER … so war’s nicht immer: Wer soll entscheiden? Wer weiß es am besten? Und wer schreit am lautesten? Ein auswegloser Kampf? – Keineswegs! Heute erzählen wir euch, wie wir es geschafft haben, eine für die gesamte Organisation vertretbare Priorisierung unserer wertvollen Development-Ressourcen auf die Beine zu stellen. 

 

Zawos (Steirisch für: “Was ist der Case for Action”)

Wenn ein 50-köpfiges Engineering & Infrastructure-Team rund 450 Stakeholdern gegenübersteht, lässt sich erahnen, dass sich da so einige lässige Features im Backlog ansammeln. Welche Epics sind es wert, dass sich unsere Product Owner damit befassen? Welche bringen den tatsächlich größten Business Value für das ganze Unternehmen? Kurzum: wie gehen wir am vernünftigsten, dh. unter Beachtung möglichst aller Faktoren, mit der Herausforderung um, unsere Ressourcen für die “gescheitesten” Epics einzusetzen?

Lassen wir die Zeit Revue passieren, da haben wir nämlich einige “tolle” Ideen ausprobiert: Es wurden die Stakeholder bedient, die am lautesten die Umsetzung gefordert haben. Jene, die uns mit ausreichend Schokobons bestochen haben. Wir haben selbst versucht, nach bestem (technischen) Wissen und Gewissen zu priorisieren. Es gab ein ausgeklügeltes Votingsystem für alle Circle Leads. Und wir haben sogar mal gemeint, es soll doch die Geschäftsführung entscheiden. Alle Ideen waren – Achtung: keine Überraschung! – denkbar schlecht und wenig zielführend. 

Die Herausforderung war, dass jeder Stakeholder aus seiner “Fach-” bzw. “Abteilungssicht” priorisiert hat. Was dabei leider auf der Strecke blieb, war ein gemeinsames Verständnis und Commitment, warum es jedoch aus niceshops-Gesamtsicht die beste Priorisierung ist. Also: Abteilungs-Hut runter, niceshops-Hut rauf und los geht’s! 

 

Die Idee

Wie kann es uns nun jedoch gelingen, unsere Kolleg:innen aus dieser “Abteilungsdenke” rauszuholen und die Gruppe, die die Priorisierung entscheidet, relativ klein und damit effizient zu halten, ohne jedoch Commitment einzubüßen? Die Idee war, dass wir nicht mehr von unseren einzelnen Circles und “deren Epics” gesprochen haben, sondern davon, was aus a) Markt- und Kund:innen-Sicht (zB Self Service, neue Länder, Paymentservices) sinnvoll wäre und b) was wir quasi als “Backbone” (zB Lagerprozesse, neue Währungen, Infrastruktur) dazu benötigen. Dazu stellten wir die Frage: 

 

“Welche 5 Kolleg:innen sind in der Lage, diese Priorisierung aus niceshops-Gesamtsicht bestmöglich zu erfüllen?” 

Dieser Zugang klang vielversprechend, stellte uns jedoch vor die neue Herausforderung, wie wir nun zu genau diesen besagten 5 Kolleg:innen kommen sollten und das mit dem vollen Commitment unserer Stakeholder. Wir wühlten also ganz, ganz tief in unserer Trickkiste, – oder besser: in unserem Bücherregal und wurden bei Bernd Oestereich und Claudia Schröder fündig. 

 

Die Kollegiale Rollenwahl war geboren

Wir entschieden uns für das Tool “Kollegiale Rollenwahl”, welches prädestiniert für unser “Zawos” war und in selbstorganisierten Unternehmen ein erprobtes Entscheidungsinstrument ist. Dieses wertschätzende und pragmatische Verfahren eignet sich dazu, Rolleninhaber:innen, Prozessverantwortliche, oder wie in unserem Fall: Entscheidungsträger:innen für einen vorab definierten, begrenzten Zeitraum zu wählen. In einem mehrstufigen Rundenformat wird positives Feedback für viele Personen ausgesprochen, was für eine Person spricht, diese Rolle zu übernehmen. Dadurch schafft es einen ganzheitlichen Blick und ein großes Commitment unter den Wählenden.

 

So einfach geht’s: 

 

Hat’s funktioniert?

Klaro!!! Wo könnte man ein solch wertschätzendes, offenes Verfahren sonst ausprobieren, wenn nicht bei uns! Aber ganz ehrlich? Ein bisschen aufgeregt waren wir natürlich schon: Wird das Entscheidungsformat von allen angenommen? Werden die jeweiligen Begründungen wirklich gehaltvoll sein? Und wird in der zweiten Runde wohl nicht taktiert? All unsere kleinen Bedenken waren jedoch unnötig: Sowohl die Wahl als auch die Priorisierung der Epics aus niceshops-Gesamtsicht sind wunderbar smooth gelaufen und erfreuten bzw. erfreuen sich nach wie vor einer breiten Zustimmung unserer Stakeholder.  

 

Aus dem Nähkästchen geplaudert

Eigentlich sagen wir ja: “Alles was im Haufen passiert, bleibt im Haufen!” (sagen wir eigentlich nicht, wegen Transparenz und so *g*), aber wir machen für euch eine Ausnahme und wollen mit euch ein paar nice Insights teilen: 

  • Kein Stein blieb auf dem anderen: In der zweiten Vorschlagsrunde haben nahezu alle Circles ihre Nennungen angepasst, da sie neue Sichtweisen aus den Begründungen der anderen gewonnen haben.
  • Newcomer vor den Vorhang: Bei der zweiten Iteration (dh. nach 6 Monaten) wurde unser “Haufen” – so wird diese Epic-Priorisierungsrunde intern liebevoll genannt –  fast komplett neu zusammengestellt. Damit haben auch die “nicht üblichen Verdächtigen” die Chance bekommen, an für niceshops wichtigen Entscheidungen mitzuwirken und Erfahrung in dieser Rolle zu sammeln.
  • Breite Zustimmung: Die “Haufen-Mitglieder” nehmen ihre Verantwortung wahr und setzen alles daran, das Vertrauen der “Wählenden” nicht zu missbrauchen und ihr Versprechen für eine Priorisierung mit “niceshops-Hut” zu erfüllen. Daraus resultiert eine Priorisierungs-Entscheidung, welche von allen mitgetragen wird und ein noch nie dagewesenes Commitment mit sich bringt, was wiederum unseren Product Owner ihre Arbeit wahnsinnig erleichtert hat.
  • Learning by doing: Getreu unserem Motto “Inspect and Adapt” haben wir unseren zweiten Haufen nicht neu gewählt, ohne vorher dem ersten Haufen für die hervorragende Arbeit zu danken und Learnings für die zweite Iteration zu sammeln. Dazu haben wir uns für ein Fish Bowl-Setting entschieden, wo wir den Haufen über ihre Erfahrungen tratschen ließen. Die Zuhörer:innen im Außenkreis lauschten diesem moderierten Gespräch und konnten sich auch über den “Hot Chair” mit Wortmeldungen beteiligen. Das Resultat war ein bunter Blumenstrauß voller Learnings und Erkenntnissen, die wir in die zweite Iteration mitgenommen haben. 

Also, wenn alle mitreden dürfen, geht nicht nur doch was weiter, sondern es kommt auch was G’scheites raus! Man braucht nur das richtige Werkzeug und dann: Augen zu und durch!